ESG in der Finanzwelt: Ein Leitfaden für CFOs

Was ist ESG und warum ist es wichtig für die Finanzwelt?

ESG steht für Environmental, Social und Governance. Diese drei Dimensionen stehen für ökologische, soziale und unternehmenspolitische Verantwortung.

Definition der drei ESG-Dimensionen: 

 

• Environmental (Umwelt): Umgang mit Ressourcen, Klimaschutz, Abfallmanagement, Wasserverbrauch und Biodiversität. 

• Social (Soziales): Arbeitnehmerrechte, Diversity, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Engagement in der Gemeinschaft und Menschenrechte. 

• Governance (Unternehmensführung): Unternehmensethik, Transparenz, Vorstandszusammensetzung, Compliance und Korruptionsbekämpfung.

Unternehmen, die ESG-Kriterien erfolgreich integrieren, profitieren nicht nur von einem besseren Image, sondern auch von langfristigem, finanziellem Erfolg. Bernhard Kienberger, Unternehmensberater beim Terra Institut, erklärt: 

„Unternehmenszahlen sagen uns, ob eine Firma gesund ist. Die Zahlen für die Erde sind jedoch alarmierend – vom Artensterben bis hin zur Klimaerwärmung. Es ist entscheidend, dass CFOs und Unternehmen nicht nur auf finanzielle, sondern auch auf nicht-finanzielle Kennzahlen achten. Dabei ist die Auswirkung auf den Unternehmenswert nicht unwesentlich. Der Kontext (Umwelt, politische Stabilität, Sicherheit, Risikosituation, Planbarkeit) eines Unternehmens trägt wesentlich zum Unternehmenswert (via des EBITDA-multiples) bei und ist somit auch für finanzwirtschaftlich orientierte Personen entscheidungsrelevant.“ 

ESG und die Finanzbranche haben in den letzten Jahren zunehmend Berührungspunkte gefunden, da ESG-Kriterien eine immer wichtigere Rolle in der Entscheidungsfindung von Investoren, Banken und anderen Finanzinstitutionen spielen. Zu den wichtigsten Überschneidungen zählen:

1. ESG-Risikomanagement: ESG-Faktoren werden zunehmend als wesentliche Risiken betrachtet, die sich auf die finanzielle Performance von Unternehmen auswirken können. Beispielsweise können Umweltkatastrophen, soziale Unruhen oder schlechte Unternehmensführung zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Banken und Investoren berücksichtigen daher ESG-Kriterien, um solche Risiken besser zu managen.
2. Regulierung und Compliance: Regulierungsbehörden fordern zunehmend Transparenz in Bezug auf ESG-Praktiken. Finanzinstitute müssen Berichte über ESG-bezogene Risiken und Chancen vorlegen, was die Integration von ESG in ihre Prozesse verstärkt. Die Kosten der ESG-Compliance steigen, was die Wichtigkeit einer strategischen Herangehensweise unterstreicht. 
3. Kredite und Finanzierung: Banken bewerten die ESG-Performance von Unternehmen, bevor sie Kredite vergeben. Unternehmen mit hohen ESG-Ratings erhalten oft bessere Kreditkonditionen, während solche mit schlechten Bewertungen Schwierigkeiten haben könnten, Kapital zu erhalten. Nachhaltigkeitsbezogene Investitionen und Finanzierung spielen hierbei eine zentrale Rolle. 
4. Kunden- und Reputationsmanagement: Finanzinstitute reagieren auf den wachsenden Druck von Kunden, die zunehmend Wert auf nachhaltige und ethische Investitionspraktiken legen. Ein gutes ESG-Management kann auch das Ansehen einer Finanzinstitution stärken.

Checkliste: Warum Finanzexperten ESG-Kriterien integrieren sollten 

✓  Langfristige Wertsteigerung: Integration von ESG kann den Unternehmenswert steigern. 

✓  Regulatorische Compliance: Vorbereitung auf bevorstehende gesetzliche Anforderungen und Berücksichtigung der Kosten der ESG-Compliance. 

✓  ESG-Risikomanagement: Minimierung von Risiken durch nachhaltige Geschäftspraktiken. 

✓  Reputation und Image: Verbesserung des öffentlichen Images durch nachhaltiges Handeln. 

✓  Mitarbeiterengagement: Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit durch soziale Verantwortung. 

Welche Lücken bestehen noch zwischen ESG und der Finanzwelt?

In der Finanzwelt sind analytische Fähigkeiten und strategisches Denken gefragt- und das gilt auch für den ESG-Bereich. Doch obwohl diese Fähigkeiten vorhanden sind und die Notwendigkeit erkannt wird, fehlt es oft am ausreichenden Wissen, um ESG effektiv zu implementieren.

Die 4 größten Lücken:

1. Wissen und Verständnis: Viele Finanzexperten haben von ESG gehört, wissen aber nicht genau, was es bedeutet und wie es umgesetzt wird. 
2. Messbarkeit: Trotz der messbaren Natur von ESG fehlt es oft an klaren KPIs und einem Verständnis, wie diese in den Unternehmensalltag integriert werden können. 
3. Integration in die Unternehmensstrategie: ESG muss als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie gesehen werden, nicht nur als Add-on. 
4. Kultureller Wandel: Ein Umdenken ist notwendig, um ESG als zentralen Wert in der Unternehmenskultur zu verankern.

Checkliste: Was für die effektive Integration von ESG fehlt 

✓ Fortbildung und Schulung: Aufbau von Wissen und Fähigkeiten im Bereich ESG. 

✓ Entwicklung von KPIs: Etablierung klarer Kennzahlen zur Messung des ESG-Erfolgs. 

✓ Strategische Planung: Integration von ESG in die langfristige Unternehmensstrategie. 

✓ Kommunikation: Förderung einer Unternehmenskultur, die ESG unterstützt. 

Was können Unternehmen und CFOs in Bezug auf ESG tun?

CFOs können eine entscheidende Rolle bei der Implementierung und Integration von ESG im Unternehmen spielen, wie auch Bernhard Kienberger bestätigt:

„CFOs sind mit den beiden großen Transformationsthemen KI und Nachhaltigkeit beschäftigt. Während KI oft schwer messbar ist, bietet ESG klare Metriken und messbare Ziele, die es einfacher machen, den Erfolg zu kontrollieren und zu steuern.“ 

Hier sind einige konkrete Maßnahmen für die drei ESG-Bereiche:

Environmental (Umwelt):

1. Nachhaltige Finanzierungsstrategien: Der CFO kann grüne Finanzinstrumente wie Green Bonds, Sustainability-Linked Loans oder andere nachhaltige Finanzierungsmethoden einsetzen, um umweltfreundliche Projekte zu unterstützen. 

2. CO2-Bilanzierung und Reduktionsziele: Einführung von Systemen zur Messung des CO2-Fußabdrucks des Unternehmens und Festlegung von Zielen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Der CFO kann die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen überwachen und sicherstellen, dass sie in den Unternehmenszielen verankert sind. 

3. Kreislaufwirtschaft fördern: Implementierung von Maßnahmen, die die Ressourceneffizienz steigern, wie z.B. die Reduktion von Abfall, Recycling und die Nutzung von Sekundärrohstoffen. 

4. Investitionen in nachhaltige Projekte fördern: CFOs können Kapital für nachhaltige Investitionen bereitstellen, wie zum Beispiel für grüne Technologien oder Energieeffizienzmaßnahmen.

Social (Soziales):

5. Diversität und Inklusion: Der CFO kann Budgets und Ressourcen für Initiativen zur Förderung von Diversität und Inklusion bereitstellen, z.B. durch Programme für gleiche Chancen und Gehälter, Unterstützung für unterrepräsentierte Gruppen und Schulungsmaßnahmen. 

6. Mitarbeiterwohlfahrt und -engagement: Implementierung von Programmen zur Verbesserung des Mitarbeiterwohls, einschließlich Gesundheits- und Sicherheitsinitiativen, Work-Life-Balance-Maßnahmen und Weiterbildungsprogramme. 

7. Gesellschaftliches Engagement und Corporate Social Responsibility (CSR): Unterstützung von Initiativen und Partnerschaften, die das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens stärken, wie z.B. Spendenprogramme, Freiwilligenarbeit und Unterstützung lokaler Gemeinschaften. 

8. Lieferkette überwachen: Einführung von Richtlinien und Systemen zur Überwachung der sozialen Standards in der Lieferkette, um sicherzustellen, dass Lieferanten faire Arbeitsbedingungen einhalten. 

Governance (Unternehmensführung):

9. Einbindung von ESG in die Finanzberichterstattung: CFOs können ESG-Kennzahlen in die reguläre Finanzberichterstattung integrieren. Dies umfasst die Aufnahme von ESG-Daten in Jahresberichte, Quartalsberichte und Investorenpräsentationen, um Transparenz gegenüber Stakeholdern zu gewährleisten. 

10. Anreize für ESG-Leistungen schaffen: CFOs können ESG-Ziele in die Vergütungsstruktur des Managements und der Mitarbeiter:innen integrieren. Dies könnte bedeuten, dass ein Teil der Boni an die Erreichung bestimmter ESG-Kennzahlen gekoppelt wird, um eine starke Motivation zur Verbesserung der ESG-Performance zu schaffen. 

11. ESG in die Unternehmensstrategie integrieren: Der CFO kann sicherstellen, dass ESG-Kriterien in die langfristige Strategie und Entscheidungsfindung des Unternehmens einbezogen werden, einschließlich der Kapitalallokation und der Bewertung von Investitionsmöglichkeiten. 

12. Stakeholder-Engagement und Kommunikation verbessern: CFOs sollten aktiv den Dialog mit Investoren, Kunden und anderen Stakeholdern über die ESG-Strategie des Unternehmens suchen. Transparente Kommunikation über die Fortschritte und Herausforderungen bei der Umsetzung von ESG-Initiativen stärkt das Vertrauen und die Reputation des Unternehmens. 

Potenziale von ESG: Job Enrichment im Finanzbereich

Die Integration von ESG in die Finanzwelt bietet enorme Möglichkeiten für Job Enrichment und die Weiterentwicklung von Karrieren im Finanzbereich. 

Vorteile von ESG für Finanzberufe:

• Erweiterung des Aufgabenbereichs: Finanzexperten können ihre Rolle erweitern, indem sie sich auf ESG konzentrieren, was ihre Arbeit abwechslungsreicher und erfüllender macht. 
• Neue Karrierewege: Nachhaltigkeitsbezogene Investitionen und Finanzierung schaffen neue Karrierewege und Möglichkeiten zur Spezialisierung, insbesondere in Bereichen wie Nachhaltigkeitsberichterstattung und ESG-Analyse. 
• Stärkung der intrinsischen Motivation: Mitarbeiter, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen, finden oft mehr Sinn und Erfüllung in ihrer Arbeit. 

Bernhard Kienberger erklärt, dass ESG eine Chance für Job Enrichment bietet: 

„Wenn man nur bilanziert oder Controlling macht, kann das auf Dauer langweilig werden. Die Erweiterung um Nachhaltigkeit bietet neue Fokuspunkte und erhöht die Zufriedenheit im Job. Finanzielle Sicherheit ist wichtig, aber wenn die Welt kaputt ist, haben zukünftige Generationen nichts davon. Deshalb ist es wichtig, auch die Welt, die wir hinterlassen, zu berücksichtigen.“ 

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ESG-Umsetzung lohnt sich

Bei allen Herausforderungen, die die Integration von ESG mit sich bringt, sollte man diese auch als Chance sehen, aus einer Firma ein modernes Unternehmen des 21. Jahrhunderts zu machen. 

Einige Unternehmen sind bereits Vorreiter in der Integration von ESG und zeigen, wie es erfolgreich umgesetzt werden kann. So setzt eine Transportfirma in Wien ausschließlich auf E-LKWs für ihre Auslieferung, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Oder Unternehmen in der Automobilindustrie weisen den CO2-Fußabdruck jedes Produkts aus. Wer dies nicht kann, bleibt zurück. 

Kienberger weist darauf hin, dass Unternehmen, die ESG vernachlässigen, riskieren, den Anschluss zu verlieren: 

„Wer hier nicht am Puls der Zeit ist, verpasst die Möglichkeit, alles vorbereitet zu haben und scheidet aus. Wenn man einmal beim Kunden draußen ist, kommt man nicht mehr rein. ESG ist ein Stakeholder-Thema und betrifft die wichtigsten Stakeholder – Mitarbeiter und Kunden.“ 

Unser Fazit

ESG ist ein zentrales Thema, das die Finanzwelt nachhaltig verändert. Finanzexperten und insbesondere CFOs müssen ESG als wesentlichen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie sehen und aktiv daran arbeiten, ESG-Kriterien zu integrieren. Dies ist nicht nur eine Frage des kurzfristigen Erfolgs, sondern auch der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen und der langfristigen Wertsteigerung des Unternehmens. Die Zeit zu handeln ist jetzt – für die Umwelt, die Gesellschaft und den Unternehmenserfolg.